Sonntag, 15. April 2018

Tasting: Viva España oder Rioja Olé


In einem meiner letzten Artikel hatte ich das Weinbaugebiet Rioja im Norden Spaniens bereits unter die Lupe genommen. So ein bisschen Hintergrundwissen ist ja auch ganz nett, doch was ist diese ganze Theorie schon ohne die Praxis? 


Daher geht es heute mal mit einem ganz spannenden (und umfangreichen) Vorhaben weiter. Der Wein aus Rioja ist jetzt unter praktischen Gesichtspunkten dran. Und um einen besseren Überblick zu bekommen natürlich nicht nur einer.


Sechs verschiedene Weine aus Rioja stehen sich heute im direkten Vergleich gegenüber.

  1. Torres - Altos Ibéricos (2013) 
  2. Pagos del Rey - Esquador Rioja Reserva (2013) 
  3. Herederos de Marqués de Riscal - Rioja Reserva (2013) 
  4. Señorio de la Estrella - Dominio de la Salle Gran Reserva (2004) 
  5. Bodegas Faustino - Faustino I (2005) 
  6. Campo Viejo - Rioja Tempranillo (2016) 

Dabei sind alle der im Rioja Artikel beschriebenen Qualitätsstufen vertreten. Zur Begleitung habe ich mir mal leckeren Serrano Schinken am Stück gekauft und dazu passend natürlich Manchego Käse. Außerdem gibt es noch ein paar andere Käsesorten (Parmesan, Camembert, Bergkäse), Tortilla und natürlich Oliven und Baguette dazu. Lecker, oder? ;-)

Gemacht wird dieser Wein in der Regel aus der Tempranillo Traube. Die typischen Fruchtaromen sollen Kirsche und Pflaume (oder Zwetschge?) sein. Der Wein gilt als gut zugänglich und soll sich beim Trinken eher samtig und nicht zu kantig anfühlen. Aber schauen wir auch mal, wie sich das so in den Altersklassen entwickelt. 


Es wird Zeit mit dem Tasting loszulegen. 

Angefangen habe ich mit dem Altos Ibéricos von Torres. Hierbei handelt es sich um einen Crianza, der rein aus der Tempranillo Traube hergestellt wurde. Gekauft hatte ich diesen mal irgendwann für 7,95 EUR bei Hawesko. 

Der Rioja wurde direkt nach dem öffnen verkostet. Ich rieche sofort ein schönes Kirsch Aroma, gepaart mit Pflaume und Vanille - also genau das, was man von einem Rioja erwartet. Auch beim probieren passt es. Mittlerer Körper und Abgang. Gibt man dem Wein ein bisschen Zeit im Glas entiwckelt er sich vorteilhaft und wird noch ein bisschen runder. Alles in allem würde ich sagen ein sehr guter Einstieg. Preis-/ Leistung passt und ich würde ihn auch nochmal trinken. 


Jetzt wird die Schlagzahl auch direkt erhöht und es geht nahtlos zur nächsten Qualitätsstufe: dem Reserva. 

Esquador Rioja Reserva
Hier wird der Esquador Rioja Reserva (Jahrgang 2013) und der Marqués de Riscal Rioja Reserva (Jahrgang 2013) verkostet. Der Esquador ist bereits ein guter Beginn in dieser Stufe und kostet bei Hawesko aktuell 14,90 EUR. Der Jahrgang 2011 wurde von Falstaff mit 90 Punkten bewertet. 
Körper, etwas Komplexität, getrocknete Pflaume und Vanille machen schnell Lust auf einen zweiten Schluck. Gegenüber dem Crianza merkt man schon, dass die Fruchtaromen anders gelagert sind. Einfach nicht mehr so frisch und duftend sondern getrockneter und dunkler. 

Nun ist der Marqués de Riscal an der Reihe und schon nach dem ersten Schluck muss ich sagen: Wow! Der Wein besitzt Kraft und Power. Er kommt schön voluminös und würzig daher und beschäftigt einen damit. Trotz allem ist er jedoch nicht kantig sondern geht ins samtige und weiche.
Dieser Rioja besteht im Gegensatz zu den vorherigen aus einem Cuvée. Neben Tempranillo sind hier noch die Rebsorten Graciano und Mazuelo enthalten. Die Leistung passt und auch der Preis (meist so um die 15 EUR) ist vollkommen in Ordnung. Im Vergleich zum Esquador, der preislich ähnlich gelagert ist hat er hier die Nase vorne. 

Nun wird es auch langsam Zeit für die Champions League: die Gran Reserva warten. 

Und damit kommt es ein wenig auch zum Vergleich David gegen Goliath. Zum einen wird gleich der bekannte Faustino I (Jahrgang 2005) getrunken. Der hat ein sehr markantes Etikett und gilt als Aushängeschild der Bodegas Faustino. 
Ihr habt ihn bestimmt auch schonmal irgendwo stehen sehen. 

Ich habe ihn mal für ca. 15 EUR aus einem Geschäft mitgenommen. Dieser Wein besteht ebenfalls aus einem Cuvée der Rebsorten Tempranillo, Graciano, Mazuelo und wurde auch schon in der Fachpresse mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem wurde der Jahrgang 2005 vom Decanter mit 93 Punkten bewertet. 


Zum anderen habe ich hier dann auch noch den Dominio de la salle Gran Reserva (Jahrgang 2014) von der Bodegas Señorio de la Estrella. Dieser Wein kommt von einer eher kleinen Bodega und wurde mir bei einem Besuch in einem spanischen Restaurant mal zum testen für diesen Abend empfohlen. Der Spanier wird es wohl wissen dachte ich und habe ihn dann für etwa 15 EUR kurzerhand mitgenommen. Er kommt auch gleich als erstes an die Reihe und wandert direkt ins Glas. 


Hier schmecke ich wieder viel deutlicher die Früchte und er riecht aromatischer als die beiden vorher verkosteten. Auch Vanille ist deutlich bemerkbar. Sehr interessant, da ich eigentlich dachte die Fruchtaromen würden zurückgehen. Gleichzeitig zeigt er sich elegant und samtig, was wahrscheinlich an dem langen Reife- und Alterungsprozess liegt. 

Faustino I
Beim anschließenden Probieren des Faustino wird es dann ganz spannend. Ich habe bereits vor etwa 1-1,5 Std eine Flasche geöffnet und komplett in einen Dekanter gegeben. Der spanische Restaurantbesitzer hatte nämlich nochmal explizit gesagt, dass man grade dem Gran Reserva etwas Zeit und Luft gönnen sollte. 
Und da ich den Faustino heute Abend gleich zweimal da habe, wird als erstes mal ein Schluck aus der frisch geöffneten Flasche getrunken. Da wird es jetzt tatsächlich sehr interessant. Dieser Wein ist relativ bekannt und auch meist ganz gut bewertet. Auch die Fachpresse würdigt ihn entsprechend. Daher gehe ich natürlich mit einer entsprechenden Erwartungshaltung ans Glas. Doch nach dem ersten Schluck finde ich ihn ganz spontan eher unspektakulär. Aber ist dies nicht öfter so, bei etwas besseren Weinen?

Zumindest ging es mir in der Vergangenheit so. 


Als ich als etwas besseres probieren durfte, konnte ich diesen Wein mangels Expertise anscheinend gar nicht richtig würdigen. 
Also nochmal einen zweiten Schluck nehmen und aufmerksam sein. Ich glaube, ich habe jetzt einen Eindruck davon, was jemand meint, wenn er sagt ein Wein sei noch verschlossen. Es erscheint mir nämlich, als wären zwar Ansätze erkennbar, aber als müsse die Tür zum Zimmer erst noch richtig aufgestoßen werden um sehen zu können.

Wie gut, dass ich die dekantierte Variante bereit stehen habe. Und siehe da: Dieser Schluck schmeckt vollkommen anders, als der Schluck aus der frisch geöffneten Flasche.
Es sind nicht etwa hervorstechende blühende Fruchtaromen, die mir entgegen strömen, sondern es ist eine komplexe Mischung aus alten getrockneten und gereiften Früchten, die mit irgendwas erdigem oder holzigem, mir samtig entgegen springen. Ich bemerke deutlich, dass der Wein wesentlich komplexer ist als die anderen und man sich viel besser auf ihn einlassen muss. Auch wird man deutlich mehr gefordert. Des Weiteren besitzt der Faustino Kraft und Nachhall. Also alles in allem würde ich sagen, dass er zurecht am oberen Ende der hier verkosteten Weine steht. Der Dominio de la salle Gran Reserva war auch sehr lecker, unterscheidet sich jedoch von seiner Machart. 

Campo Viejo
Nach dem langsamen Aufstieg bis in die Champions League, lasse ich mich mal wieder schnell auf den Boden der Tatsachen zurückfallen. Es ist noch eine zusätzliche Flasche aufgetaucht. Vor mir steht noch der Campo Viejo Rioja (Jahrgang 2016), der für 6,79 EUR aus dem Supermarkt (Edeka) mitgenommen wurde. Er ist in keiner der drei Qualitätsstufen eingeordnet. 
Wie der jetzt wohl ankommt?Um es kurz zu machen: Was ein Klassenunterschied. Ob es an dem noch jungen Jahrgang des Weines oder Qualität des zuletzt getrunkenen Weines liegt kann ich gar nicht sagen. Aber im Vergleich zu allen heute getrunkenen Weinen ist dieser Rioja äußerst schwach auf der Brust. Im momentanen Zustand ähnelt er eher einer Art Landwein. 


So langsam neigt sich jetzt aber ein spannender Abend mit Rioja Weinen dem Ende entgegen. 



Also wird es Zeit mal ein kurzes Fazit zu ziehen (sofern das nach all den Proben überhaupt noch möglich ist :-))


Die erste wichtige Erkenntnis des Abends: Der Serrano Schinken und die Käseplatte mit Manchego, Parmesan und Bergkäse passte wirklich sehr gut zu allen Weinen. Und auch die Tortilla. Damit wäre der Grundsatz, regionales Essen zu Weinen aus der Region mal wieder bestätigt. 

Und was die Weine angeht:
Rioja Champions
Der erste Wein (Altos Ibéricos von Torres) war ein richtig guter Einstieg in den heutigen Abend. Preis-/ Leistung passt und ich würde ihn daher jederzeit wieder trinken um einfach ein bisschen Spaß im Glas zu haben. Im Vergleich zu dem ähnlich bepreisten Campo Viejo hat er hier deutlich die Nase vorn.



Die beiden Grande Reserva waren tatsächlich große Klasse. Auch wenn sich der Stil der beiden Weine schon voneinander unterscheidet sind beide sicherlich nochmal eine Rückprobe wert. Hier wird man schon etwas gefordert und sehr gut an große und komplexe Wein herangeführt. Diese dürften so am Anfang dieser Kategorie anzusiedeln sein (da fehlt mir aber eindeutig ein Erfahrungsschatz). Ich denke, dass auch der Preis für diese Varianten vollkommen in Ordnung geht.



Sehr positiv überrascht hat mich der Marqués de Riscal. Zwar ist der Name schon bekannt und auch die guten Bewertungen sind mir zu Ohren gekommen, aber selber mal zu trinken war definitiv klasse. Ich würde auch sofort nochmal trinken und er steht schon auf meiner Liste um nochmal was zu Hause hinzulegen. 

Und nun wird es Zeit die Reste zu leeren... 🍷

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